
DU entscheidest!
Nicht am Ziel wird der Mensch groß,
sondern auf dem Weg dorthin.
Endlich die zehn Kilo abnehmen, endlich aufhören mit dem rauchen, endlich mit Sport anfangen … du hast es schon zum drölfzigsten Mal versucht, aber irgendwas kommt immer dazwischen! Die anfängliche Motivation ist schnell verflogen und du beginnst von vorne…
Disziplin ist erlernbar, langsam aber stetig, kleine Schritte, Teilerfolge feiern, „smarte“ Ziele, das heißt du weißt genau wo du hinwillst und hast einen Plan. Disziplin hat noch mehr Einflussfaktoren, funktioniert aber Prinzipiell wie ein Muskel – je mehr du ihn beanspruchst desto leichter wird es. Disziplin funktioniert so lange wie wir gesund sind und unsere Stressysteme nicht aktiviert werden. Und da ist der Haken… aber lass uns kurz einen Blick ins Gehirn werfen…
Verschiedene Areale im Gehirn sind an unserer Entscheidungsfindung beteiligt. Für „schlaue“ Entscheidungen ist z.B. der Präfrontale Cortex zuständig, er liegt im Frontallappen, sammelt Sinneswahrnehmungen, interpretiert und formt dein Verhalten. Er kontrolliert Impulse und hilft, Gedanken, Emotionen und Handlungen auf deine Ziele auszurichten. Er ist der Rationale. Der Hippocampus befindet sich rechts und links im Temporallappen und ist zuständig für Lernprozesse, die Speicherung von kurzfristiger Informationen und von langfristigen Erinnerungen.
The hardest Prison to escape
is in your mind

Außerdem wäre da noch die Amygdala, diese ist eng mit unseren Emotionen verknüpft, sie spielt eine große Rolle bei Angst, Stress also der Fight or Flight Reaktion. Bei Stress trifft unsere Amygdala häufig die Entscheidung. Sie ist quasi unser Urinstinkt und sollte uns früher vor gefährlichen Situationen schützen. Die Funktionen der Amygdala sind komplex, jede Entscheidung wird über die Amygdala mit emotionalen und somatischen Reaktionen verbunden. Studien zeigten, dass Menschen mit Schädigungen der Amygdala, das Bewusstsein fehlt, rational richtige Entscheidungen zu treffen (Gupta et al. 2010).
Außerdem spielen auch Botenstoffen wie GABA und Glutamat eine Rolle. So zeigte eine Studie aus 2021, dass Menschen mit einem höheren Verhältnis von Erregung zu Hemmung im dorsalen anterioren zingulären Kortex, mehr bzw. größere Anreize benötigen, um sich von ihrem aktuellen Status quo zu lösen (F. Kaiser et al. 2021). Das bedeutet je gestresster unser Organismus, desto eher halten wir an Gewohnheiten fest und können uns nicht aus alten Mustern lösen.

Jeder weiß – Disziplin ist gut und ein Teil vom Puzzle, aber oft genug sind wir Gefangene unseres Körpers. Und zwar immer dann, wenn Stress ins Spiel kommt. Wenn wir wenig schlafen, uns ungesund ernähren, werden unsere Stressysteme aktiviert, ab hier reicht Disziplin nicht mehr aus. Dein Immunsystem hat die Herrschaft übernommen, ab diesem Punkt brauchst du Hilfe von außen. Stress, Angst und Krankheit hemmen den Hippocampus und den Präfrontalen Cortex und aktivieren die Amygdala, dadurch sind wir eher Instinktgesteuert und rationale Entscheidungen fallen uns schwer.
Unser Verhalten wird geleitet durch kurzfristige Konsequenzen; langfristige Gewinne aus bestimmten Verhaltensmustern können nur schwer begriffen werden. Über Nikotin, Essen, Shoppen, Alkohol oder durch unsere Handys, wird unser Belohnungssystem angesprochen. Wir lenken uns den ganzen Tag ab. Durch kurzfristige Befriedigung dieser Bedürfnisse werden Endorphine ausgeschüttet und emotionale Anteile unseres Gehirns aktiviert (Hallo Amygdala). Wenn wir keine unmittelbaren Konsequenzen spüren, fällt es uns schwer unser Verhalten dadurch zu steuern, bzw auf langfristige Konsequenzen anzupassen.
Zudem hat sich die Funktion unserer Entscheidungen verändert. Während wir früher funktionelle Entscheidungen treffen mussten z.B. Hunger = Nahrungssuche, so essen wir heute aus einem Gefühl wie Wut, Lust oder Trauer, weil es gerade „Zeit“ ist oder aus sozialem Druck. Zusätzlich müssen wir viel mehr und weitreichendere Entscheidungen treffen als früher, unser Tag besteht praktisch aus Entscheidungen. Wir werden „Entscheidungsmüde“.
Rezept für gute Entscheidungen:
- Gib dir ein Warum! Was ist dein Kosten-Nutzen-Verhältnis? Wie bewertest du das persönlich? Zum Beispiel: Kosten = 3x pro Woche Sport, eine zu 80% saubere Ernährung; Nutzen = deine Fitness und dein Wohlbefinden steigern und abnehmen. Mit welchen Emotionen bringst du dein Ziel in Verbindung? Welche Bedeutung hat speziell dieses Ziel für dich und dein Leben? Überwiegt der langfristige Nutzen deinen jetzigen Kostenaufwand?
- Such dir Teampartner, Therapeuten, Coaches für Support, Motivation und Kontrolle. Wir sind soziale Wesen und brauchen Anschluss zu anderen. Durch andere fühlen wir uns sicherer und unsere Angstsysteme werden gedämpft.
- Setze dich natürlichen Stressoren aus – Kälte, Hitze, Fasten und Bewegung. Unsere Welt ist bequem geworden, wir passen unsere Umwelt an uns an und nicht mehr umgekehrt. Wenn wir uns in Resilienz üben und unsere Stresstoleranz erhöhen, wird unsere Selbstwirksamkeit und unsere Fähigkeit diszipliniert zu sein gefördert.
- Ernähre dich gesund, schlafe ausreichend, bewege dich und suche dir Strategien gegen Stress! Ein gesunder Lebensstil reduziert Entzündungen und Immunaktivität, fördert die Durchblutung kognitiver Gehirnareale, dämpft die Amygdala und gibt uns so unsere Entscheidungsfreiheit zurück.
- Bleib im Gleichgewicht und gönne dir hin und wieder etwas. Keiner von uns kommt hier lebend raus. Durch Freude am Leben, reduzierst du zusätzlich dein Stresslevel und förderst deine Gesundheit.
- Lerne! Welche Faktoren halten dich am Anfangspunkt, welche Mechanismen werden angesprochen (physiologisch, emotional, sozial), wie kannst du sinnvoll Einfluss auf Deine Situation nehmen. Wieso bist du an dem Punkt an dem du bist? Wer lernt, der entwickelt sich und Entwicklung ist Fortschritt. Je mehr du über dich selbst weißt, desto besser kannst du deine Ziele erreichen. Je entspannter du Situationen angehen kannst, desto weniger aktiv kann deine Amygdala interagieren und Instinkte aktivieren.
- Reframing! Gib deiner Entscheidung einen anderen Kontext und verbinde deine Entscheidung mit anderen Werten und anderen Emotionen. Oder salopp gesagt – versuche in jeder Situation das Positive zu sehen.
Gesundheit bedeutet Freiheit!
Sogar alltägliche Entscheidungen werden durch unsere körperliche Gesundheit geprägt. Wenn dein Körper gesund ist, kann es auch dein Geist sein, denn physische Gesundheit macht uns entscheidungsfreudiger, disziplinierter und insgesamt glücklicher.
Gesundheit lässt dich wieder selbst entscheiden.
Bis bald 🙂
Quellen:
Kaiser, Luca F et al. “Publisher Correction: Dissociable roles of cortical excitation-inhibition balance during patch-leaving versus value-guided decisions.” Nature communications vol. 12,1 3901. 17 Jun. 2021, doi:10.1038/s41467-021-23485-2
Gupta R, Koscik TR, Bechara A, Tranel D. Die Amygdala und die Entscheidungsfindung. Neuropsychologie. 2011;49(4):760-766. doi:10.1016/j.neuropsychologia.2010.09.029

Deborah Rittwagen
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