
Was kann Faszientherapie?
Seit einigen Jahren kommt man nicht mehr um das Thema herum, Faszien sind in aller Munde, der Markt für Faszienprodukte boomt. Auch der Behandlung der Faszien wird immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Verschiedene Behandlungsansätze, wie die Typaldos Methode oder Rolfing, bieten Modelle für Therapeutische Interventionen. Wir wissen inzwischen, dass das Fasziengewebe überall im Körper vorkommt und so auch Einfluss auf multiple körperliche Vorgänge hat. Welche Möglichkeiten und Grenzen bieten sich durch die Behandlung der Faszien? Und was ist wirklich dran an dem Hype „Faszie“?
Erst nach meiner Physiotherapeutischen Ausbildung entdeckte ich, welche Bedeutung die Faszie bzw. das Bindegewebe in der Therapie hat. Vor allem durch meine Ausbildung zur FDM-Therapeutin (Fasziendistorsionsmodell nach Typaldos), durch Fortbildungen und Erfahrungen aus der Praxis, konnte ich viel dazulernen. Die Erkenntnisse die ich während dieser Zeit sammeln durfte, waren teilweise sehr widersprüchlich, zu dem oft angewendeten Methoden in der Therapie. Die Behandlung des Fasziengewebes, durch spezifische Manuelle Techniken, ermöglichen dem Therapeuten oft eine schnelle Verbesserung von Schmerzen und Beweglichkeit, doch zu einer guten Therapie gehört viel mehr. Mit diesem Beitrag möchte ich eine grobe Übersicht geben, welche Faktoren für eine ganzheitliche Behandlung wichtig sind.
Kurzvorstellung – Faszie
Faszien, bzw Bindegewebe ist ein elastisches Gewebe, welches quasi überall im Körper vorhanden ist. Die Faszie umgibt Gefäße und Organe und durchzieht Muskeln und besteht primär aus Proteinen und Wasser.
Die Faszie hat eine Vielzahl an Funktionen und ist für unseren Körper enorm wichtig:
- dient der Kraftübertragung
- stabilisiert Gelenke und Organe
- fungiert als Sinnesorgan und für die Reizweiterleitung
- Wasser- und Energiespeicher
- Puffer bei Bewegung
- Teil des Immunsystem
Faszie und Ernährung
„Du bist was du isst!“ So abgedroschen dieser Spruch auch klingt, deine Zellen bestehen aus dem, was du deinem Körper zuführst. Aus unserer Nahrung werden körpereigene Strukturen gebildet. Salopp gesagt: müssen aufgrund minderwertiger Nahrung Kompromisse eingegangen werden, kommt es zu Funktionseinschränkungen.
Für eine gesunde Faszie benötigen wir primär:
- Fette (v.a. Omega 3)
- = Fisch, Alge
- Aminosäuren (v.a. Arginin, Lysin und Prolin)
- = Fleisch, Fisch, Geflügel
- Antioxidantien
- = Obst, Gemüse
- Zink
- = Fleisch, Fisch, Nüsse
- Vitamin C
- = Beeren, Zitrone usw
- Magnesium
- = Leber, Fisch, Milchprodukte, Beeren, Bananen
- Silizium
- Hirse, Haferflocken, Kartoffeln, Bananen, Spinat, Eier
Für einen gesunden Körper benötigen wir natürlich noch viel mehr 😉
Außerdem kann Allicin (Knoblauch), Curcumin (Kurkuma) und Capsaicin (Paprika,Chilli, Pfeffer) förderlich sein.
Erfahrungen aus der Praxis, aber auch teilweise wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich bestimmte Nahrungsmittel negativ auf das Fasziengewebe auswirken. Allerdings ist zu bemerken, dass diese Lebensmittel generell im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitssymptomen und einer reduzierten Gesundheit stehen. Natürlich wirkt sich alles, was sich negativ auf unseren Körper auswirkt, auch negativ auf unser Gewebe aus. Wenn starke Symptome bestehen kann es sinnvoll sein, zeitweise auf diese Produkte zu verzichten oder zu testen, auf welche Lebensmittel man schlecht reagiert.
Dazu gehören:
- Getreideprodukte
- Kuhmilchprodukte (besser vertragen werden oft Schaf – und Ziegenmilch)
- Übermäßig viel Zucker
- Hoch verarbeitete Lebensmittel
Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Trinkmenge, wird zu wenig Wasser zugeführt neigt das Gewebe stärker zu Adhäsionen.
Faszien und Bewegung
Faszien sind enorm Anpassungsfähig und strukturieren sich- je nach Belastung- stetig um. Unsere Faszie ist bestenfalls sowohl stark, belastbar als auch elastisch und ermöglicht uns größtmögliche Beweglichkeit. Diese Eigenschaften sind zudem wichtig für eine ideale Kraftübertragung zur Muskulatur und für unsere Propriozeptoren (Körperwahrnehmung). Bei der Anpassung und Veränderung des Gewebes spielen vor allem die Fibroblasten eine entscheidende Rolle. Es handelt sich um Zellen im Gewebe die u.a. am Auf- und Umbau der Faszie beteiligt sind (Kollagen – und Elastinproduktion).
Fibroblasten werden vor allem durch Zugspannung angeregt. Bei genügend und vielfältiger Bewegung richtet die Faszie sich scherengitterartig aus.
Bewegen wir uns zu wenig, werden auch unsere Fibroblasten weniger angeregt.
Es kann zur Bildung von „Cross Links“ kommen. Die Bewegungsfähigkeit wird reduziert und es entstehen Schmerzen.
Doch welche Bewegungen sind am sinnvollsten? Da wir uns nicht mehr natürlich jeden Tag in der Natur bewegen müssen, ist es sinnvoll möglichst viel Bewegung in den Alltag zu integrieren und mindestens dreimal Wöchentlich intensiver Sport zu treiben. Beim Dehnen gilt: Wippende, federnde Bewegungen am Ende einer Dehnung. Grund ist die kinetische Energie, die während Vordehnung in der Faszie gespeichert, und bei Bewegung freigegeben wird. (Vgl. Springfeder).
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Bewegungsvielfalt den größten Benefit für unser Fasziengewebe hat und das wir durch unsere Lebensweise meistens nicht mehr genügend Reize für ein funktionales Gewebe liefern.
Faszien und Stress
Stress ist eine natürliche körperliche Reaktion auf psychische/körperliche Belastungen. Sie dient dazu in angenommenen oder realen Gefahrensituationen, kurzfristig die Leistungsbereitschaft zu erhöhen. Durch Stress kommt es zu einer Ausschüttung von Botenstoffen im Hypothalamus, diese führen in den Nebennieren zur Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortison (Nebennierenrinde). Der Blutdruck die Leistungsbereitschaft, aber auch der Tonus steigen an. Eine kurze Ausschüttung von Stresshormonen wäre für unser System kein Problem. Der Stress der zivilisierten Gesellschaft ist meist aber dauerhaft und wirkt sich auch negativ auf unser Gewebe aus.
Um dem Stresskarussell zu entkommen eignen sich Anti-Stress-Strategien wie Autogenes Training, Meditation, Stressmanagement, verbessern der Schlafqualität -und Zeit, Digital Detox, Autogenes Training und Sport. Dabei muss man für sich testen welche Strategie am besten funktioniert.
Therapie bei Schmerzen
Unser Gewebe ist also nicht trennbar von unseren anderen Körpersystemen. Treten Schmerzen auf, so befinden wir uns in einem Ungleichgewicht.
Gute manuelle Behandlungen des Gewebes stellen ein potentes Tool dar, welches während einer Rehabilitation, oder bei Schmerzen des Bewegungsapparates, eingesetzt werden kann.
Dem Patienten wird so, durch mehr Bewegungsfreiheit und reduzierte Schmerzen, die Möglichkeit gegeben aktiv zu werden. Bewegung heilt! Ohne die aktive Teilnahme des Patienten ist jede Therapie hinfällig, bzw. eine Besserung oft von kurzer Dauer. Wie bereits zuvor beschrieben reagiert das Fasziengewebe auf Bewegung, Stress und Ernährung, dies sollte In einer ganzheitlich angesetzten Therapie in die Anamnese und Therapie eingebunden werden.
Eine Faszientherapie nach dem Fasziendistorsionsmodell, wie in meiner Praxis angewendet, ist also eine Komponente einer ganzheitlichen Therapie, um dich als Patient zu unterstützen.
Die Therapie der Faszien kann, vor allem bei starken Problemen, schmerzhaft sein. Auch danach kann es zu einer Art Muskelkater kommen. In seltenen Fällen fühlen Patienten sich auch systemisch abgeschlagen. Dieses Phänomen wird auch als „Hit-by-a-truck-feeling“ bezeichnet. Um die Therapie zu unterstützen sollte sich vor allem nach der Therapie, aber auch generell, viel bewegt werden. Nach Operationen oder Verletzungen muss dies spezifisch angeleitet und vom Therapeuten begleitet werden.
Außerdem solltest du folgende Fehler bei Schmerzen vermeiden:
- keine direkte Wärme oder Eis anwenden
- Keine absolute Ruhigstellung! Bewegt euch sanft weiter. (Ausnahmen beachten z.B. Knochenbrüche)
- sparsam mit Schmerzmitteln umgehen
Green Flags, Yellow Flags… Red Flags, ja man ahnt es schon, als Therapeut habe ich keinen Röntgenblick und kann nur durch z.B. Bewegunstests feststellen ob dein Problem manuell zu behandeln ist, oder nicht. Egal bei welcher Form der Therapie, sollte der Blick immer offen sein um den Patienten nicht zu gefährden. Operationen und die klassische Medizin haben ihren Platz und sind ebenso als Tool, an der richtigen Stelle zu sehen. Wenn deutliche Zeichen für ein schwerwiegendes Problem bestehen, ist es IMMER sinnvoll eine Bildgebende Abklärung laufen zu lassen.
Vor allem das inflationäre einsetzen von jeglichen Chiropraktischen Techniken, sehe ich kritisch. Natürlich wende ich im Rahmen meiner Therapie Chiropraktische Techniken an, allerdings nur wenn ich dafür einen Grund sehe und ein Ziel verfolge. Mir ist bewusst dass diese Techniken oft mehr „Eindruck“ beim Patienten machen und natürlich spektakulärer wirken, allerdings ist in den meisten Fällen damit noch nichts geholfen. Und übrigens – knacken bedeutet nicht Erfolg 😉
Hilfe zur Selbsthilfe
Bei flächigen Schmerzen könnt ihr eine Akupressurmatte (Zugeffekt) anwenden, diese bietet sich z.B. bei Rückenschmerzen an.
Bei ziehenden, Linienförmigen Schmerzen kann mobilisieren Abhilfe schaffen. Faszienrollen – oder Bälle, sowie Theraguns, haben meist einen zu unspezifischen Effekt auf das Fasziengewebe. Sinnvoller ist dann eine Faszientherapie der betroffenen Strukturen, durch einen Fachkundigen Therapeuten.
Zusammengefasst lässt sich sagen, der Faszie tut alles gut, was auch für den Rest des Körpers sinnvoll ist. Wer sich gesund ernährt, sich regelmäßig bewegt und Stress meidet, oder weiß damit umzugehen, ist schon auf einem guten Weg.
Wenn ihr Fragen rund um das Thema Schmerzen, Bewegungseinschränkung und Faszie habt, meldet euch gerne.

Deborah Rittwagen
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